Browns-Free-Agency-Preview: Teil 1 – Pains und Needs

4. Februar 2019 0 Von Mike

Die Saison ist mit dem Superbowl offiziell beendet. Zeit für den Blick nach vorn – und dieser Blick ist äußerst spannend aus Browns-Sicht. In der Analyse-Reihe betrachten wir heute die Ausgangssituation und die primären Schwachpunkte des Kaders, um ein erstes Ranking vorzunehmen welche Positionen GM John Dorsey angehen muss. In den weiteren Episoden betrachten wir die Vertragssituationen, mögliche Free-Agent Ziele und eine Prognose zur Strategie von Dorsey. Ab Mitte Februar folgen erste Draft-Previews.

  1. Defensive Tackle (L.Ogunjobi/T.Coley/Davis/B.Price)

Der größte Schmerzpunkt zu Beginn. Die Browns hatten in der 0-16-Saison des Vorjahres ein sehr starkes Trio aus Danny Shelton, Rookie Ogunjobi und der Camp-Überraschung Trevon Coley. Mit diesem Trio waren die Browns Top-10 gegen das Laufspiel.

Natürlich ist gegen den Run nicht nur die Front entscheidend, doch der Rückschritt in 2018 liegt maßgeblich an der Interior-D-Line. In Berea glaubte man leicht auf Danny Shelton verzichten zu können und tradete ihn nach New England. Nach dieser Saison schimmert dieser Trade auf allen Seiten negativ. Bei den Patriots sitzt Shelton häufig auf der Tribüne, die Browns vermissen den Big-Man in der Rotation.

Denn das Duo Ogunjobi/Coley schafft es nicht der hohen Workload gerecht zu werden. Während Ogunjobi in seiner zweiten Saison zumindest im Pass-Rush überzeugte (5,5 Sacks), fiel Trevon Coley massiv ab in 2018. Coley schnitt laut PFF mit einer Note von 50,4 ab, was lediglich für Platz 117 unter den DT reichte und weit unter dem Ligaschnitt liegt. Ogunjobi lieg mit einem Score von 64,0 noch knapp im Durchschnitt.

Die mangelhafte Rotation ist sicher ein verstärkender Faktor für den Leistungsabfall. Carl Davis kam als gelobter Waiver-Pickup von den Ravens, spielte aber nur 31 Snaps (2,63%), Brian Price stand immerhin bei 16.3% der Snaps auf dem Feld. Sowohl C.Davis (PFF 54,0), als auch B.Price (PFF 58,5) drängten sich jedoch kaum auf für die Zukunftsplanungen.

Was bleibt in 2019 als Säule in der Interior-Line? Eigentlich nur Larry Ogunjobi, der aber gern etwas weniger als die 930 Snaps dieser Saison (79%) spielen darf, um der dominante Spieler zu sein, der Larry werden kann. Weder Trevon Coley, noch den bisherigen Rotational-Guys würde ich im kommenden Jahr eine größere Rolle zusprechen. Dorseys größte Aufgabe liegt zweifellos hier.

  1. WR1/Wide Receiver (J.Landry/A.Callaway/Higgins/B.Perriman)

Vorweg – der Receiving Corps der Browns hat im Verlaufe der Saison eine tolle Entwicklung genommen. Mit Baker Mayfield fanden besonders Higgins und Perriman zu unerwarteten Potentialen. Callaways Talent sah man in etlichen Spielen aufblitzen und Jarvis Landry rausche knapp an einer 1000-Yards Saison vorbei. Warum dennoch den WR1 als Need an zweiter Stelle?

Schauen wir auf die nackten Zahlen. Positiv anzuerkennen ist, dass gleich 4 Receiver der Browns mehr als 500 Receiving Yards fingen (Landry, Njoku, Callaway, Higgins), Perriman mit den wenigen Spielen erzielte 340 mit einem bockstarken Schnitt von 21 Yards per Catch.

Dagegen muss man auch anmerken, dass keiner der Browns-WR mehr als 5 TD´s fing (Callaway). Der nominelle WR1 Jarvis Landry punktete nur viermal für die Browns.  Eine Statistik ist noch deutlicher: Die Browns-Receiver droppen fast 5% der Pässe, ligaweit die zweitmeisten. Lange führte man diese Statistik sogar deutlich an mit über 7%

Eine Frage ist berechtigt: Haben die Browns einen legitimen WR1? Ist Jarvis Landry ein Go-to-Guy mit seinen Problemen Separation zu kreieren? Aktuell scheint die Rolle für Landry auf den Außen zu erzwungen. Landrys zieht keinen Top-Corner mit sich und ist in der Red Zone selten ein Target. Dazu kommt, dass Landry mit seinem hochdotierten Vertrag nach der 2019er-Saison wohl nur bleibt, wenn er vollends überzeugt. Einen möglichen Nachfolger zu identifizieren ist damit zweifellos eine bedeutende Aufgabe.

Dazu kommt, dass aktuell weder Higgins, noch Perriman einen gültigen Vertrag für 2019 besitzen, auch wenn man Verlängerungen erwartet. Doch selbst dann weisen bis auf Landry eklatante Ausfall-Potentiale auf. Perriman verpasste die meiste Zeit als Raven verletzt, Higgins fehlte in beiden Spielzeiten jeweils längere Zeit und Callaway ist mit seiner mangelhaften Disziplin ähnlich wie Josh Gordon eine ständig tickende Gefahr für Suspendierungen.

  1. Strongside Linebacker (J.Collins) / Linebacker Depth (J.Schoebert/C.Kirksey/G.Avery)

Die Linebacker der Browns hatten eine harte Saison. Noch vor Beginn verabschiedete sich Mychal Kendricks durch den Aktien-Skandal. In der Saison fehlten dann längere Zeit sowohl Joe Schoebert und ab November Christian Kirksey. Der einst stolze Linebacking-Corps zerfiel – auch weil Jamie Collins trotz 1067 Snaps (90%) zu oft lustlos spielte.

Folglich waren die Leistungen sowohl gegen den Run, als auch in Coverage in vielen Spielen dürftig. Die Browns waren weiter schwach gegen gegnerische Tight-Ends und wiesen klare Mangel im Tackling auf (#32 NFL).

Jamie Collins muss an dieser Stelle nochmal erwähnt werden. PFF benotete ihn über die Saison mit einer 62,3 (#57 der LB), was angesichts des hochdotierten Vertrages (4 Years, 50 Mio$) schlicht zu wenig ist. Dabei wissen viele Browns-Fans: Die Leistungen schwanken zwischen Pro-Bowl-Niveau (@Denver, vs.Atlanta,…) und Leistungsverweigerung (vs.Bengals, @Texans). Teilweise scheint es, als ob Collins sich das Spotlight genau wählt, in dem er volle Leistung abruft, um eventuell noch einen letzten guten Vertrag NACH den Browns zu erreichen. Die Browns stehen nach dieser durchwachsenen Saison vor der Frage, ob Collins ein Kandidat für den Cut ist. Dies würde „nur“ 2,5 Mio an Dead-Cap verursachen und 11,75 Mio an Capspace kreieren.

X-Faktor bei den Diskussionen um die Linebacker und Collins ist Genard Avery. Avery überraschte als Pass-Rush-Specialist und erhielt mehr Snaps im Verlauf der Saison(gesamt 684, 58%). Allerdings offenbarte er auch klare Schwächen in Coverage. Kann er schon in 2019 die Rolle eines 1000-Snaps-LB wie Jamie Collins füllen?

Doch selbst mit Avery in Jahr 2 und mehr Snaps brauchen die Browns mehr Tiefe im LB-Corps. Tanner Vallejo, D´Juan Hines und Ray Ray Armstrong kamen spät in den Kader, sammelten aber als Ersatzspieler nur bedingt Gründe für eine größere Rolle in der kommenden Spielzeit. Vallejo wurde gar überraschend gecuttet in dieser Woche.

Folglich kann man durchaus argumentieren, dass die Browns nach Schoebert, Kirksey und Avery mindestens einen Top-LB brauchen und 2-3 gute Depth-Spieler. Die Situation auf dieser Position scheint so unsicher, wie auf keiner anderen Position. Zumal die Linebacker in der modernen NFL so wichtig wie nie zuvor sind und dementsprechend wertvoll im Draft und der Free Agency sind.

  1. Left Defensive End (E.Ogbah)

Die Edge-Rusher in Cleveland sind alles andere als schlecht. Angeführt von Myles Garrett (13,5 Sacks) waren die Browns Durchschnitt in Sachen Pass-Rush.

Was den Browns fehlt ist ein zweiter dominanter Edge-Rusher wie ihn zum Beispiel die Chargers, Jaguars oder auch Broncos haben.

Ogbah ist stark gegen das Laufspiel, aber nach drei Spielzeiten stehen im Jahr 2018 nur 3 Sacks (2017: 4, 2016: 5,5). Die negative Tendenz ist dabei nicht dramatisch, aber mittlerweile besteht wenig Hoffnung auf eine enorme Steigerung des talentierten Ogbah. Der wird weiter eine gewichtige Rolle spielen in Run-Situationen, aber es braucht einen weiteren DE der gegenüber von Garrett konstant für Druck sorgt.

Hinter Ogbah und Garrett waren die Waiver-Pickups A.Zettel (13% Snaps) und Chris Smith (28% Snaps) nette Überraschungen, die in der Rotation zwar wenig zum Einsatz kamen, dafür aber auffällig spielten. Mit einem Training-Camp könnten die beiden eventuell den nächsten Schritt machen.

Das ändert aber nichts an der Gesamtsituation. Außerhalb von Myles Garrett gibt es auf Edge zu viele Fragezeichen und Pass-Rush-Talent. DC Wilks könnte versucht sein Genard Avery häufiger als DE auflaufen zu lassen, eine permanente Lösung scheint dies aber nicht. Vielmehr macht es Sinn im Draft oder der Free Agency zuzuschlagen und den Kader mit Talent zu befüllen.

  1. Tight End Depth (DeValve/Fells/O.Charles)

Probleme auf Tight-End? Nicht wirklich. An Position 5 der Needs sprechen wir schon von kleineren Luxus-Problemen. Dennoch muss man hinterfragen, wie es hinter David Njoku aussieht. Und da sieht es dünn aus.

Seth DeValve verpasste nahezu die komplette Saison  – manchmal wunderte man sich warum man ihn überhaupt im Kader ließ. Ganze 74 Yards produziere DeValve letztlich und ist damit sicher auf der Bubble des kommenden Training-Camps.

Veteran Darren Fells überzeugte als Blocking-TE und mit beeindruckende 3 TD´s aus 9 Catches. Aber Fells ist 32 und damit im Herbst seiner Karriere. Neben ihm hat man noch Blocking-TE Orson Charles, der als Locker-Room-Leader wertvoll ist, jedoch auf dem Platz kaum eine Rolle spielt und aktuell eher die Full-Back-Rolle einnimmt.

Eine Statistik macht es überdeutlich: Njokus 639 Yards und 4 TD´s sind fast dreimal so viel wie die 217 Yards von DeValve, Charles und Fells zusammen. Diese Abhängigkeit muss abgefangen werden und mehr Qualität dahinter aufgebaut werden. Vor allem da der neue OC Monken aus Tampa sehr gern mit zwei TE´s spielt und diese stark in das Passing Game einbindet. Ein früher Pick in einer starken TE-Draft-Class würde nicht überraschen.

  1. Cornerback 2 (T.Mitchell/EJ Gaines / TJ Carrie)

Einen Mangel an Qualität kann man hier zunächst nicht ausmachen. Die Browns-Secondary erlaubte nur ein Passer-Rating von 83,4 was in der NFL Top-5 bedeutet. Trotz Verletzungspech überzeugten in den Phasen der Saison sowohl Terrance Mitchell als Starter gegenüber von Denzel Ward, später auch EJ Gaines. Einzig TJ Carrie fühlte sich erst als Nickel-Corner wieder wohl.

Der Bedarf besteht aufgrund von zwei Gründen. Erstens ist bis dato sehr ungewiss ob man den auslaufenden 1 Jahres-Kontrakt mit EJ Gaines verlängert. Zuletzt auf IR konnte sich Gaines vor der Saison nicht gegen T.Mitchell durchsetzen. Genau dies ist jedoch sein persönlicher Anspruch, den er auch öffentlich bekundete. Daher kann durchaus angezweifelt werden, dass Gaines einfach verlängert. Das Testen der Free Agency und anschließender Vereinswechsel scheint aktuell wahrscheinlicher, um in der Liga zu starten.

Der zweite Unsicherheitsfaktor entsteht durch den neuen DC Steve Wilks, der seine CB´s wesentlich häufiger Zone covern lässt als Gregg Williams. Erst im Vorjahr stellte man die Secondary wegen der klaren Anforderung um, dass die CB´s in Man-Coverage überzeugen müssen. Natürlich spielten die Browns auch unter Gregg reichlich Zone, aber Wilks fordert ein leicht differenziertes Profil.

Können Ward, Mitchell und Carrie hier überzeugen? Verlangt Wilks vielleicht sogar ähnlich wie Gregg zuvor neue CB´s, die auf sein Zone-Konzept besser passen? All das ist schlicht ungewiss. Aus der Perspektive von GM Dorsey mag es dennoch sinnvoll erscheinen hier nachzulegen, besonders wenn man Gaines nicht halten kann.

  1. Right/Left Tackle (G.Robinson/C.Hubbard/D.Harrison/A.Corbett)

So spät erst die O-Line? Ganz richtig, denn eine Line in der die Browns laut PFF #2 nur hinter den Steelers performten.

Dabei überragt vor allem die Interior-Line um Bitonio, Tretter und Zeitler. Doch auch die Tackles fanden nach anfänglichen Problemen immer besser in Form und beendeten die Saison mit extrem wenigen Pressures in den letzten 5 Spielen.

Die Zukunft der Tackles ist jedoch noch etwas ungewiss. Aktuell ist Starting-LT Greg Robinson auf auslaufendem Vertrag unterwegs – eine Verlängerung scheint wahrscheinlich. Hinter ihm ist die Entwicklung von Desmond Harrison eine spannende Story des kommenden Camps.

Auf der rechten Seite spielte Chris Hubbard durch und performte gut mit einer Note von 65,1 (#50 der Tackles). Hubbard wird eher mit Blick auf den Vertrag ein mittelfristiges Fragezeichen. 7,3 Millionen pro Jahr machen ihn zu einem Top-10 bezahlten Right Tackle – dafür ist die Leistung doch grenzwertig. Sicher kein Grund für eine überhastete Aktion, aber im Draft oder FA könnte man nach einer günstigeren Option schauen, die hier eine langfristige Lösung darstellt. Hubbard könnte fortan jedes Jahr recht günstig gecuttet werden.

Nicht zu vergessen ist hier, dass man mit Austin Corbett noch einen sehr jungen Spieler hat, der sich im zweiten Jahr aufdrängen kann.

  1. Backup-QB

Baker hat die Franchise in der Hand – folglich werden jedoch Tyrod Taylor wechseln und Drew Stanton mehr eine Mentor-Funktion einnehmen. Man muss sich für den Ernstfall wappnen, falls sich Baker verletzt.

Ich mache es kurz – gesucht wird ein Game-Manager, der zur Not einspringen kann und weniger kostet als Tyrod Taylor (16 Mio in 2019). Für Tyrod sollte in der FA ein moderater Markt bestehen – aktuell scheint ein Verbleib eher unwahrscheinlich. Die Browns kassieren einen niedrigen Draft-Pick im Idealfall und schauen nach einem Cody Kessler 2.0

Fazit

Es macht Spaß bei der Analyse auf vergleichsweise wenige massive Schwachpunkte zu treffen. Der Kader der Browns ist ausgeglichen und braucht in vielen Bereichen lediglich ergänzend noch Starter. Gesucht wird häufig Tiefe. Mit dem vielen Cap-Space und reichlich Draft-Picks sind die Aufgaben für GM Dorsey ziemlich attraktiv. In der nächsten Analyse schauen wir genauer auf die relevanten Vertragsverlängerungen und die Free-Agent-Ziele der Browns.