Die Franchise-QB-Diskussion – wo stehen die Browns?

22. Oktober 2020 0 Von Mike

Baker oder nicht Baker, das ist hier die Frage. Die Diskussion in der Browns-Community reichen von berechtigten Sorgen, vernichtender Kritik bishin zu absurden Forderungen. Es wird also Zeit, möglichst objektiv die ersten Wochen zu analysieren und die Leistungen einzuordnen. Wir blicken daher heute auf die Stats, danach auf Stärken & Problemfelder und natürlich auch auf die Umstände, um abschließend eine Meinung abzugeben, wie die Zukunft bei Baker Mayfield und den Browns aussehen könnte.

Stats – die zahlenbasierte Einordnung

Beginnen wir mit dem großen Thema Regression. Statistisch ist durchaus nachweisbar, dass Baker nach seiner Fabel-Rookie-Saison 2018 nachgelassen hat:

PFF Analyse von Baker Mayfield

Wichtig ist dabei natürlich einzuordnen, dass Baker sowohl 2019, als auch 2020 neue Coaches und ein neues System bekam, dazu ist die Sample-Size aus 2020 mit 6 Spielen noch gering. Zudem bekam Baker im Ligavergleich durchschnittlich eine Top-5-Passing-Defense vorgesetzt über den Zeitraum (vor allem Ravens, Steelers, Colts). Dennoch – die Regression ist in mehreren Elementen nachweisbar.

Die Frage bleibt – wie gut oder schlecht ist Baker Mayfield im Ligavergleich?

QB Stats nach Week 6 nach FootballOutsiders

Was fällt auf?

  • Laut DVOA ist Baker #25 der QBs in diesem Jahr und damit im hinteren Drittel. Dabei aber durchaus in prominenter Gesellschaft mit dem MVP Lamar Jackson, einem Cam Newton und deutlich vor einem Carson Wentz
  • Baker QB-Rating ist mit 67,9 im absoluten Mittelfeld (18th)
  • Die Liga ändert sich schnell: Wer hätte in der Offseason gedacht, dass Derek Carr und Josh Allen soooo weit oben in den Rankings stehen wer hätte einen solch „schwachen“ Lamar Jackson und Carson Wentz vermutet? Man sollte einfach akzeptieren, dass nur 3-5 QB´s wirklich konstant im oberen Drittel spielen und die meisten QBs wechselhaft performen und dabei höchst abhängig von den Umständen sind.

Baker in der Analyse

Stärken

In einer ausgeglichenen, möglichst neutralen Betrachtung schauen wir natürlich nicht nur auf Schwächen, sonder beginnen mit den Fortschritten und Stärken des QB.

Play-Action & Rollouts

Vorab – NEIN nicht jeder QB ist super in Play Action. Das Format gilt weithin als deutlich QB-freundlicher, was natürlich oft daran liegt, dass die Defense in der Reaktionszeit etwas länger braucht und somit Receiver gern mal etwas freier sind. Baker ist auch statistisch gesehen richtig stark bei Play-Action:

  • Mit Play-Action 28/45 für 350 yards und 4-1 TD/INT Ratio 106.7 passer rating
  • Ohne Play-action: 65/107 626 yards 5/3 TD/INT ratio 81.0 passer rating

Man sieht klar, wie wohl sich Baker Mayfield in diesen Plays fühlt. Die Execution ist dabei meistens sehr gut und Baker produziert hier die meisten Big Plays.

Accuracy

Überrascht? Baker ist noch immer einer der akurateren QBs der Liga. Dazu zählt man natürlich nicht nur die Completion Percentage, sondern misst auch wie genau das gefangenen Bälle waren. Dabei ist Baker im Bereich Technik & Footwork noch nicht optimal, aber insgesamt dennoch im Ligaschnitt durchaus akurat.

Im September lag er zeitweise sogar ganz vorn in dem Thema Ball Location wie die obere Grafik zeigt und auch in der bisherigen Karriere gibt es etliche Parallelen zu einem Drew Brees.

Motivator & Teamleader

Eine unterschätzte Kategorie. Ein Franchise Quarterback kann zwar ein „stiller“ Anführer sein, doch einen wahren Motivator auf QB zu haben ist sehr hilfreich für ein Team. Das ultimative Ziel „Superbowl“ und auch Playoffs sind Spiele, die auch im Kopf entschieden werden. Spieler, die in solchen Momenten am stärksten sind, finden sich nicht wie Sand am Meer. Baker hatte schon im College diese „Clutch-Spiele“ gegen Texas oder Ohio State. Erinnert euch an sein erstes Spiel am Donnerstag gegen die Jets. Das Spiel gegen die Ravens 2019 oder auch der Steelers-Win. Normalerweise bleiben solche Eigenschaften, einfach weil diese Charaktereigenschaft tief verwurzelt ist.

Mittelmaß – Verbessert, aber nicht konstant…

Pocketverhalten

Im Vergleich zum Vorjahr ist Baker hier verbessert, was nicht bedeutet das sein Pocketverhalten gut ist. Das Vertrauen in die Offensive Line bleibt ein essentielles Thema, denn in Spielen wo das Duell an der Line nicht an die Browns geht wirkt Baker schnell unsicher und sucht die Flucht aus der Pocket.

Die „Geister“, die Baker teil sieht und spürt sind dennoch ein Problem, wirklich souverän wirkt das Pocketverhalten selten über längere Zeit. Die kurzfristige Lösung liegt daher auf der Hand: Baker braucht eine saubere Pocket oder designte Plays raus aus der Pocket.

Mechanics

2019 fiel auf, dass Baker unter Druck sehr schnell „happy feet“ bekommt und dann die Accuracy unter Druck rapide abnimmt.

Folglich war in der Offseason mit dem neuen OC Alex van Pelt ein klarer Focus auf den Mechanics, dazu gern auch noch ein Statement des Coaches.

Mit dieser Offseason ist es für mich fast logisch, dass neben einem neuem Scheme und Adjustments in den Mechanics noch nicht alles funktionieren kann. In den „sicheren“ Phasen sieht man jedoch bereits die Fortschritt. Problematisch ist weiter das „Floating“, also das phasenweise Bakers Würfe aufgrund der Wurfbewegung zu hoch kommen und damit sehr Gefahr laufen intercepted zu werden.

Die Problemfelder

Presnap Reads & Field Vision

Die böse INT gegen die Steelers fasste das wohl größte Problemfeld visuell zusammen:

Baker liest das Play völlig falsch. Presnap erwartet er eine Cover-2-Formation, bei der beide Safetys in die tiefen Zonen droppen. Die Steelers lassen jedoch nur Edmunds fallen zur Cover-1 und Minkah Fitzpatrick rückt vor, ließt Bakers Augen und hat eine sehr leichte INT vor dem Slant. Baker muss einfach sehen, wie Minkah vorrückt und sich die Coverage ändert.

Gegen gute Zonenverteidigung hat Baker schlicht enorme Probleme – viel zu oft erwartet er nicht, dass Safetys, Linebacker oder auch CB nicht mehr am Receiver bleiben und die Zwischeräume wählen und dort „sitzen“ bleiben und dabei den QB lesen. Nahezu alle Picks tragen diese Handschrift.

Decision Making im Rückstand/Druck

Neben den Turnover wegen den falschen Reads und der Field Vision gibt es noch jene Würfe, die Baker einfach nicht nehmen darf, weil das Wurffenster eigentlich zu ist

Auch hier eigentlich eine klare Sache – Baker gerät unter Druck, das Team liegt deutlich zurück und es ist 3rd-Down, also will Baker das Play unbedingt machen, auch wenn hier kein WR auch nur ansatzweise frei ist. Solche Plays gibt es regelmäßig, wenn die Browns in Rückstand sind.

Körperliche Limitationen

Baker ist ein limitierter Athlet. In der modernen NFL kann dies ein Problem sein. Viele junge QBs sind so athletisch, dass sie aus nahezu verlorenen Plays noch viel rausholen. Natürlich denkt man sofort an Lamar Jackson, aber auch Spieler wie Daniel Jones, Josh Allen oder Murray sind hier deutlich gefährlicher. Wirklich kritisch zeigte sich zuletzt öfter die Körpergröße – Baker hat erschreckend viele Pässen die von D-Linern runtergeschlagen werden.

Wo geht es hin mit Baker und den Browns?

Die Analyse zeigt verschiedene Erkenntnisse aus 2,5 Jahren mit Baker Mayfield.

Wird Baker Mayfield ein Top-5-QB in der NFL und zukünftiger Hall of Famer? Vermutlich nein. Dafür scheinen die Limitationen aktuell doch zu stark, auch wenn es durchaus einige QBs gab, die nach 3 Jahren noch zulegten. Bestes Beispiel ist hier vielleicht Drew Brees, der von vielen schon beim Draft als vielleicht bester Vergleich herangezogen wurde. Etwas zu klein, wenig athletisch, aber sehr akurat – einzig das Decision-Making muss Baker hier wirklich verbessern. Sonst kann sich auch die Franchise schnell umentscheiden.

Die Frage aus Sicht der Browns ist jedoch eine Andere: Können wir mit Baker in die Playoffs einziehen und auch dort Spiele gewinnen? Dafür gibt es sehr gute Argumente. Baker Mayfield könnte in einigen Jahren als sehr guter „System-QB“/Gamemanager gelten. Ein Begriff, der leider zu negativ behaftet ist.

Schauen wir doch in die jüngere Vergangenheit, in der Nick Foles mit den Eagles den Superbowl gewann und Jimmy Garoppolo in den Superbowl einzog – beide QBs die ihre Offense perfekt ausführen, aber außerhalb des Systems nur Durchschnitt sind.

Die Browns haben mit Kevin Stefanski ein System etabliert, welches starken Fokus auf das (Outside-)Run-Game legt und dazu mit viel Play-Action durch die Luft gefährlich wird. Auf dem Skript ist dies das perfekte System für die Stärken des Baker Mayfield. Natürlich braucht der vierte Systemwechsel im dritten Jahr auch Zeit zur Verinnerlichung. 6 Spiele im neuen System sind natürlich zu wenig um die Bewertung durchzuführen.

Alternativen?

Die Forderung einer Neuorientierung auf QB ist nur solange sexy, bis man auf die realen Optionen schaut. Denn einen der wenigen wirklichen Franchise-QB´s bekommt man schlicht nicht. Dak Prescott wird zwar Free Agent, wird aber einen 300-Mio-Dollar Contract fordern, der das Gesamtgebilde des Rosters torpedieren würde.

Andere Free Agents? Natürlich könnte man versuchen einen Aaron Rodgers aus Green Bay versuchen zu holen? Doch will man massiv Draft-Kapital 36-jährigen ausgeben und auf DIE eine Saison hoffen, bevor der nächste Rebuild losgeht?

Warum nicht Sam Darnold oder Mitch Trubisky probieren? Weil die NICHT besser sind als Baker Mayfield.

Also doch via Draft? Schauen wir doch mal wie viele Franchise-QB´s im nächsten Draft zu finden sind in der Range #20-#25? Leider keine, denn Trevor Lawrence wird an #1 und Justin Fields in den Top-5 gehen. Die QBs danach wie Trey Lance, Zach Wilson oder Kyle Trask scheinen weeeeit weg davon NFL-ready zu sein und wären vermutlich dennoch schwer erreichbar für die Browns wenn diese in der restlichen College-Saison überzeugen. Aus dem Desaster mit Deshone Kizer sollten die Browns als Franchise gelernt haben, dass rohe QBs nur selten als sofortige Starter funktonieren.

Kurzum – es gibt auch einfach keine überzeugende, nachhaltige Alternative. Die Browns sind keine Franchise, die „All-in“ für eine Saison geht mit einem Rodgers oder Veteran und alle Draft-Optionen schreien fast nach dem nächsten Rebuild.

Believe in Baker?

Das Fazit ist klar – die Browns müssen die Problemfelder des 25-jährigen QBs addressieren, aber keinesfalls die Hoffnung verlieren. Baker bringt so viele Eigenschaften eines erfolgreichen Quarterbacks mit und ist einer wenigen wahren Leader in der NFL.

Letztlich muss Baker schlicht kein Top-5-QB sein und Fans sollten die Erwartungshaltung an die Position des Quarterbacks anpassen. Spieler wie Ryan Tannehill galten als Busts und sind aktuell in der besten Form des Lebens, weil die Umstände passen. Andere hochtalentierte QBs scheitern wegen eben diesen Umständen. Die Browns als Franchise müssen Baker unterstützen seine Stärken optimal zu nutzen und an den Fehlern kontinuierlich zu arbeiten. Auch in der dynamischen Welt der NFL kann dies dauern. 6 Spiele unter Stefanksi sind keine Sample-Size. Mayfield spielt in seinem dritten Jahr im vierten offensiven System (Hue Jackson, Todd Haley, Kitchens, Stefanski). Ihm noch mindestens diese und nächste Saison bis an das Ende des Rookie-Contracts zu geben ist einfach fair und unternehmerisch klug für die Franchise.

Believe in Baker – er ist immer noch der beste QB der Browns der letzten zwei Jahrzehnte!