Divisional-Round-Preview: Underdawgs II

17. Januar 2021 0 Von Mike

Uns gehen die Superlative aus nach dem sensationellen Sieg in Pittsburgh. Ein historisches erstes Quarter mit 28:0, um dann noch zu zittern und letztlich Big Ben in Rente zu schicken. Nach diesem Sieg ist alles Weitere ein wunderbarer Zusatz. Genießen wir unsere Browns gegen den Superbowl-Champ und schauen, wie unsere Underdawgs den nächsten Favoriten ärgern.

Wir blicken auf den Gegner, die Matchups und mögliche Taktiken, um den Upset 2.0 zu schaffen.

Chiefs im Schafspelz

Sie sind Superbowl-Champions, haben den besten (!) Quarterback der Liga zusammen mit unfassbaren Waffen, sowie einen 14-2-Record, dabei aber 8 Spiele innerhalb eines Scores entschieden. Dominanz sieht anders aus. Es lohnt sich also die Chiefs Saison kurz zu reviewen:

  • Dominanter Saisonstart: 4-0 zum Start, dabei alle Spiele mit mindestens 13 Punkten gewonnen. Die Chiefs legten furios los und überraschten auch mit starker Defense, die nur 17 Punkte im Schnitt kassierte. Vor allem das 34-20 gegen die Ravens in Woche 3 war ein Ausrufezeichen
  • Raiders cause Problems: Die Las Vegas Raiders haben 2020 gegen die Chiefs 71 (!) Punkte erzielt, einen verdienten Sieg errungen und auch im Rückspiel fast gewonnen. Die Raiders schafften es KC vertikal zu attackieren und die Defense in Wanken zu bringen. Vor allem TE Waller konnten die Chiefs kaum verteidigen. Dazu bleibt die Erkenntnis, dass KC bei den beiden Niederlagen 40 bzw 38 Punkte kassierte.
  • Sprungpferde: Wie hoch springt ein gutes Pferd? So hoch wie es muss. So kann man die zweite Saisonhälfte der Chiefs beschreiben. Die Siege gegen die Panthers (33-31), Broncos (22-16), Dolphins (33-27) oder Falcons (17-14) waren nie wirklich überzeugend, aber in den wichtigen Momenten holte die Offense die Punkte. Die große Frage bleibt: Können die Chiefs auch nach langer Erholungspause und mäßiger zweiter Saisonhälfte auf den Power-Modus umschalten?

Nicht wundern – die Erkenntnisse aus dem Steeleres-Win lassen wir diesmal in der Matchup Betrachtung einfließen.


Statistiken im Vergleich

StatChiefsBrowns
Point per Game (Team vs. Gegner)29,6 zu 22,526,8 zu 26,9
Passing Yards (Team vs. Gegner)303 zu 236222 zu 246
Yards per Carry (Team vs. Gegner)4,5 zu 4,54,8 zu 4,3
3rd Down Efficiency (Team vs. Gegner)48,8% zu 40,9%44,9% zu 44,1 %
O-Line Ranking (Run/Pass)#14/ #4#6/ #16
Turnover-Margin (Forciert vs. eigene)22 zu 1624 zu 17
QB-Stats (Completion, TD/INT-Ratio, QB Rating66,3% / 38-6 /108,364,1% / 26-8 / 100,1
Offense DVOA Rank (ORV/Pass/Run)#2/#2/#13#9/#10/#7
Defense DVOA Rank (ORV/Pass/Run)#24/#16/31#25/#25/#19
Special Teams DVOA Rank#17#27

Die Stats der Chiefs sind offensiv fast erwartungsgemäß stark. Unsere Browns treffen auf die #2-Offense (hinter Green Bay), die gefühlt die halbe Saison nur mit angezogener Handbremse spielte. Die Defense der Chiefs spielt besser als in der Superbowl-Saison – und ist dennoch nur Mittelmaß. Die „Schwäche“ gegen den Run liest man vor allem im DVOA, denn nach den Total-Stats spielt KC hier im Mittelfeld.


Injury Update – Comebacks & Ausfälle

Die Corona-Welle in Berea scheint überstanden, mittlerweile haben die Browns nicht nur ihre Coaches zurück, sondern auch wichtige Spieler wie LG Bitonio, CB Denzel Ward oder WR Hodge.

Wer wird am Sonntag fehlen?

Nach der Muskelverletzung von RT Conklin mitten im Spiel gegen die Steelers sah es wie ein sicherer Ausfall aus, doch Conklin konnte am Freitag erstmals trainieren, wenn auch limitiert. Sein Status ist sicher der wichtigste für die Partie. Kendall Lamm wäre der Ersatz.

Linebacker BJ Goodson ist zudem fraglich, der defensiv der beste Spieler laut PFF in der Wildcard-Runde war. Drücken wir die Daumen!

Bei den Chiefs wissen wir bereits, dass WR Sammy Watkins ausfällt. Eine Waffe weniger, die unserer Defense zusetzt. Damit kann man sicher mehr auf Tyreek Hill fokussieren. Ebenso raus ist der Backup-LB Willy Gay. Dagegen wird der Status von Firstround-RB-Edwards-Helaire noch bis Sonntag offen sein.


Offensiver Gameplan

Die Browns haben gegen die #1-Defense eindrucksvoll bewiesen, dass sie auch mir widrigen Umständen zurechtkommt. Die halbe O-Line fehlt? No Problem, dann spielen eben Dunn & ein Kerl namens Hance groß auf.

Im Matchup gegen Kansas City wartet nun eine andere Defense, die weniger dominant sein will, dafür aber in vielen engen Spielen im richtigen Moment die Plays machte. Kansas City weiß um die Stärke ihrer Offense – und das eine Defense genügt, die wenige Big-Plays zulässt.

HC Kevin Stefanski wird ebenso die Stats der Chiefs lesen, welche vor allem die Run-Defense als Schwachpunkt erahnen lässt. Nur #31 sind die Chiefs gegen den Lauf laut DVOA, doch die Stats sind nicht durchgehend ein Indiz. Kansas rangiert mit 4.5 Yards per Carry im soliden Mittelfeld der Liga, auch die 433 Rushing-Attempt der Gegner sprechen nicht dafür, dass man KC hier attackierte. Vermutlich auch, weil viele Teams schnell das Run-Game vernachlässigen und über das Pass-Spiel aufholen müssen.

Ich sehe den Gameplan dennoch stark auf dem Laufspiel basierend. Warum? Selbst in einem Shootout müssen die Browns unbedingt verhindern, dass die Chiefs zu viele Drives bekommen. Dies erreicht man einerseits mit der defensive Taktik (später mehr dazu), aber auch durch lange offensive Drives. Es könnte einen großen Unterschied machen, ob die Chiefs 9 Drives bekommen (wie gegen die Falcons), oder 11-12 wie gegen die Raiders, Jets oder Broncos.

Mit der vollen O-Line sehe ich taktisch auch wieder die gewohnt erfolgreichen Konzepte. Die Guards und deren Mobility nutzen, um auf das 2nd-Level zu kommen und mit Chubb und Hunt Plays generieren. Hier ein Beispiel:

Im Passspiel warten auch interessante Matchups. Die Chiefs haben ja durchaus massiv investiert in die D-Line (1st Rounder für Frank Clark, großer Vertrag für DT Chris Jones), der Output ist aber wenig inspirierend. Einzig DT Chris Jones gehört zur Elite auf seiner Position (7.5 Sacks). Das Matchup gegen RG Wyatt Teller wird sportlich fantastisch.

Kritisch kann das Duell von LT Jedrick Wills gegen DE Frank Clark werden, hier muss unser Rookie gegen den erfahrenen Pass-Rusher einen guten Tag haben. Machbar, aber wir wissen dass Wills noch die Konstanz fehlt.

Gegen Pittsburgh agierte die Passing-Offense mit sehr schnellen Pässen, um den Pass-Rush zu dämpfen – vielleicht muss man das gegen die Chiefs nicht einfach und kann endlich wieder mehr über Play-Action und längere Konzepte arbeiten. Die WR unserer Browns sind seit Wochen ins Top-Form und haben erneut gute Matchups. Den Chiefs fehlt ein echter CB1, dafür haben sie zwei solide Leute außen. CB Charvarius Ward (PFF 64.8) und Breshaud Breeland (PFF 67.7) sind erfahren und lassen wenige Big-Plays zu, aber dürften dennoch mit Landry und Higgins gut zu tun haben. Mit Nickelback J.Sneed haben sie aber einen echt guten Mann im Slot (PFF 73.9).

Die Linebacker Hitchens (PFF 50.6) und Damien Wilson (PFF 51.8) sind vergleichsweise schwach – hier könnten sich gute Matchups finden lassen mit den Tight-Ends. Bester Mann der Defense nach Chris Jones ist sicher der Honeybadger Tyrann Mathieu, der bereits 6 INTs in der Saison abfing. Aufpassen!

Key Matchups

  • LT Wills vs. DE F.Clark
  • RG Teller vs. DT C.Jones
  • TE Hooper/Njoku vs. D.Wilson/A.Hitchens

Fazit

Die Offense muss punkten! Idealerweise in langen Drives, um die Defense zu entlasten. Dabei dürfte Stefanski dank der Rückkehr von Bitonio und auch WR Hodge das gesamte Playbook nutzen können. Die Matchups mit den Chiefs sehen auf dem Papier zunächst gut aus, aber der mentale Druck wird schnell groß mit dem Gefühl nahezu jeden Drive scoren zu müssen. Es braucht eine fokussierte und saubere Performance von Baker Mayfield und der O-Line, um mitzuhalten. Ich traue der Offense >28 Punkte zu.


Defensiver Gameplan

Lasst uns rätseln, wie man mit unserer Defense diese explosive Chiefs-Offense zumindest in ein paar Drives limitieren kann.

Beginnen wir aber positiv: Die Chiefs sind seit 1.5 Jahren notorische Spätstarter. In vielen vermeintlich leichten Duellen (Falcons, Dolphins,…) brauchte Mahomes und Co. mehr als ein Quarter, um ins Spiel zu finden. Auch dadurch ermöglichten die Chiefs diesen irren Record:

Sicher sein, auch nach hohen Führungen, kann man sich gegen die Chiefs also nie. Blicken wir zunächst auf das Laufspiel um Edwards-Helaire und LeVeon Bell. Interessant ist dabei, dass die Chiefs durchaus den Ball laufen können – wenn sie denn wollen und es im Matchup sehen. Das Paradebeispiel ist das Spiel gegen die Buffalo Bills, indem die Bills sich voll auf die Passverteidigung fokussierten. Die Folge:

  • 46 Rushes (bei 26 Passes)
  • 245 Rushing Yards
  • 26:17 Sieg

Im Gameplan ist damit schon klar, dass sich DC Joe Woods nicht zu sehr auf die Pass-Verteidigung fokussieren darf. Doch blicken wir im Run-Game auf ein paar Matchups.

Die Interior-D-Line der Browns hat sich zuletzt stabilisiert, weil Ogunjobis Formurve ansteigt und Sheldon Richardson wieder fit ist. Die Duelle mit den Guards Allegretti (PFF 66.2) und A.Wylie (PFF 54.9) werden sehr wichtig, aber sehen recht positiv für die Browns aus.

Kommen wir nun zur Pass-Verteidigung und den Mitteln, um Mahomes, Kelce und Tyreek Hill zu verteidigen. Es geht dabei nicht darum hier Wunder zu erwarten, sondern von den 9-12 Drives zumindest ein Drittel der Drives zu stoppen und idealerweise Turnover zu erzielen.

Sollten die Browns aggressiv agieren und Mahomes blitzen? Nein! Auch wenn ich es sonst gern fordere, aber die Browns werden so viele Spieler viel möglich in Coverage brauchen. Mahomes agiert exzellent gegen Blitzes. Wichtiger wird es mit dem 4-Man-Rush regelmäßig den QB aus der Komfort-Zone zu bringen.

Die Browns brauchen ein Monster-Spiel von unserem Star-DE Myles Garrett, der vermutlich häufiger auf der rechten Seite gegen RT Mike Remmers (PFF 70.1) spielen wird. Remmers spielt eine erstaunlich gute Saison, bekommt aber sicher oft nur Unterstützung, denn 1-on-1 wird er es schwer haben. Clayborn auf der anderen Seite hat ein schweres Matchup gegen LT Eric Fisher (PFF 80.0) – hier kann man nicht allzu viel erwarten.

Warum ist der Pass-Rush so wichtig? Weil dahinter die Matchups wirklich finster aussehen. Den Speed von WR Tyreek Hill kann eigentlich nur Denzel Ward halbwegs verteidigen. Ich erwarte daher, dass HC Reid seinen Top-WR häuiger im Slot gegen Kevin Johnson aufstellt oder über seine linke Seite gegen T.Mitchell bringt. Die Browns müssen dann schon sehr soft spielen, also mit viel Abstand zur Line of Scrimmage, um Big Plays zu vermeiden.

Noch schwieriger wird die Verteidigung von TE Kelce, der mit >1400 Yards in der Saison #2 der gesamten NFL (nur hinter WR Stefon Diggs) war. Ich sehe keinen LB oder Safety, der Kelce verteidigen kann. Aber vermutlich setzen die Browns ohnehin viel auf Zone-Coverage in der Mitte des Feldes und müssen hoffen, dass Mahomes die Fenster nicht findet. Die Mittel des Browns im Roster sind so begrenzt, dass die Verteidigung nur durch gute Zonenverteidung in Kombination mit Pass-Rush funktionieren kann – ich fürchte jedoch ein sehr produktives Spiel von Kelce.

Der Ausfall von WR Sammy Watkins hilft tatsächlich etwas, da nun Mecole Hardman die #2 WR-Rolle einnimmt, der ebenfalls viel Speed mitbringt, aber weniger Physis als Watkins. Demarcus Robinson dürfte sich mit Byron Pringle die restlichen Snaps teilen. Die Browns-D muss sich natürlich auf Hill und Kelce fokussieren.

2020 zeigte sich Mahomes selten fehleranfällig, wenn dann aber durch Druck in der Interior-Line. Er bringt einfach die seltene Fähigkeit mit, auch unter Druck noch Plays zu kreieren und außerhalb der Pocket akurat zu werfen. Je eher die Browns die Pocket ins Wanken bringen (und Mahomes in dieser halten), desto größer die Chancen. Gegen Lamar Jackson gelang dies den Browns jedoch nicht…

Key Matchups

  • DE Myles Garrett vs. RT Mike Remmers
  • DT Ogunjobi/Richardson vs. LG/RG Allegretti/Wylie
  • LB Goodson/S Harrison vs. TE T.Kelce

Fazit

Auf dem Papier muss man vom Schlimmsten ausgehen. Die Browns haben trotz 4 Turnovern zuletzt gegen eine wesentlich schwächere Offense noch 500 Passing-Yards und 37 Punkte zugelassen.

Die Hoffnung lebt in eher unwahrscheinlichen Szenarien: Dem „Rost“ der Chiefs-Offense nach fast 3 Wochen ohne ernsten Football. Und in der Auferstehung des Pass-Rush, der sehr vermisst wurde in den letzten Wochen. Mahomes mit Zeit wird unsere löchrige Coverage sezieren. Ich glaube die Browns-D kann vereinzelte Stops schaffen, aber die Chiefs kaum unter 30 Punkten halten.


Prediction – der Blick in die Glaskugel

Druck? Den haben nur die Chiefs, die als Superbowl-Champs und #1-Seed ausgeruht und fit in das Duell gehen. Unsere Browns haben mehr erreicht, als zu erwarten war – warum also nicht befreit aufspielen und Kansas City ein echtes Duell liefern?!

Die Buchmacher sehen Cleveland als klaren Außenseiter mit einem Spread von +10. Dazu sehen sie auch ein High-Scoring-Game mit einem Over/Under von 57.0, was unglaublich hoch ist für ein Playoff-Spiel ist. Interessant auch, dass man das Over/Under bei den Chiefs bei 34.5 sieht.

Am Ende hängt die gesamte Spannung an der Frage, ob die Browns-Offense erneut billieren kann und Kansas City somit einen Shootout liefert. Solche Shootouts gewinnen die Browns in dieser Saison erfreulich oft. Ich zähle insgesamt 6 Duelle dazu, bei denen über 55 Punkte erzielt wurden. Man besiegte dabei die Bengals (2x), Cowboys, Colts, Titans und eben die Steelers, während einzig die Ravens den Shootout knapp gewannen.

Ich glaube ernsthaft die Browns benötigen mindestens 38 Punkte, genau so viel ließen die Chiefs nur bei den beiden Niederlagen gegen die Raiders und mit den Backups gegen die Chargers zu.

Mein Tipp: Die Browns erobern weiter die Herzen vieler NFL-Fans und liefern den Chiefs ein tolles Duell. Am Ende sehe ich aber einfach mehr Qualität bei Kansas City.

Browns 31 Chiefs 35

Go Browns!