Playoff-Preview: Underdawgs
Nach dem Freudentaumel kam die große Ernüchterung mit den vielen Ausfällen vor der Playoff-Partie. Im heutigen Preview schauen wir etwas differenzierter auf die Partie – schließlich kennt jeder die Steelers aus den beiden Matches. Heut geht es mehr um Matchups und Taktik, um den „perfekten“ Gameplan gegen Pittsburgh zu identifizieren, um zu sehen wie man die Steelers ärgern kann.
Steelers Review – zwei Duelle, wenige Insights
Zweimal haben wir dieses Match im Jahr 2020 „genießen dürfen. Nach der krachenden 38-7 Niederlagen aus Woche 6 gab es am Sonntag in Woche 17 einen 24-22 Erfolg, bei dem jedoch auf beiden Seiten viele Spieler fehlten.
Wir wollen diesmal nicht einfach die Vorwoche analysieren, sondern ein paar allgemeine Eindrücke teilen:
- Kampf & Krampf: Beide Spiele waren geprägt von der enormen Rivalität, die durch die 2019er Spiele nochmal an Schärfe gewonnen hat. Auch wenn die Fairness wieder Einzug erhalten hat, sind beide Teams immer nah an der Eskalation. Ein kühler Kopf wird am Sonntag benötigt. Dazu fiel in beiden Spielen auf und allgemein im Saisonverlauf auf, dass sowohl die Steelers, als auch die Browns, sich die Siege hart erarbeiten müssen. Hier spielt kein „Überteam“, beide haben eher klassische Wurzeln. Besonders das Week-17-Spiel war eher ein Krampf, in dem das Momentum mehrmals wechselte schon bei kleinen Nachlässigkeiten. Es werden wieder die kleinen Matchups und Fehler, die großen Impact haben können.
- Formschwankungen: Es wäre leicht, die deutliche Pleite aus Week 6 als logische Referenz heranzuziehen, da die Steelers zu viel schonten in der Vorwoche. Doch seit Week 6 hat sich das Steelers-Team stark verändert. Vor allem offensiv sind seitdem kaum mehr Rhythmus und nur wenige Big-Plays zu bestaunen. Die einstigen 11-0 Steelers sind in 1-4 in den letzten 5 Spielen. Und auch die Browns haben merkwürdige Schwankungen, bei denen die Offense über Wochen über 32 Punkte scored, um dann wieder wochelang weniger als 10 Punkte zu erzielen, dafür aber defensiv besser zu stehen. Die große Konstante ist bisher das Gewinnen enger Matches – und das macht viel Mut.
Statistics
Stat | Steelers | Browns |
Point per Game (Team vs. Gegner) | 26,3 zu 19,2 | 26,1 zu 26,7 |
Passing Yards (Team vs. Gegner) | 246 zu 193 | 222 zu 246 |
Yards per Carry (Team vs. Gegner) | 3,6 zu 4,2 | 4,8 zu 4,3 |
3rd Down Efficiency (Team vs. Gegner) | 41,8% zu 36,5% | 44,9% zu 44,1 % |
O-Line Ranking (Run/Pass) | #32/ #1 | #7/ #15 |
Turnover-Margin (Forciert vs. eigene) | 27 zu 17 | 20 zu 17 |
QB-Stats (Completion, TD/INT-Ratio, QB Rating | 65,7% / 33-10 / 93,8 | 64,1% / 26-8 / 100,1 |
Offense DVOA Rank (ORV/Pass/Run( | #22/#21/#30 | #8/#12/#9 |
Defense DVOA Rank | #1/#1/#5 | #24/#25/#18 |
Special Teams DVOA Rank | #14 | #27 |
Preview – Wild Card Game
Wir schauen heut auf die wichtigen Faktoren für das Sunday-Night-Playoff-Game (P.S. das klingt immer noch großartig als Brownsfan!)
Die Faktoren im Spiel
Nun steht das Spiel unter einem ganz neuen Stern. Die klassischen Faktoren rücken fast etwas in den Hintergrund. Dennoch beginnt Sonntagnacht eine Partie mit 0:0 und 60 Spielminuten, in denen alles passieren kann. Wir blicken auf die wichtigsten Faktoren für das Duell.
Injuries & Covid-19: Wer spielt?
Natürlich müssen wir einfach mit den Ausfällen auf beiden Seiten beginnen – zu viele wichtige Spieler und Coaches werden fehlen:
Coaches
Hier schlägt es direkt massiv rein. HC Kevin Stefanski, OL-Coach Callahan und auch die Coaches der TEs und WR sind positiv getestet und damit raus am Sonntag.
Zum Glück ist HC Stefanski asymptomatisch und kann damit zumindest von zu Hause aus die Vorbereitung auf das Spiel leiten. Aufgrund der Regularien der NFL kann Stefanski bis zum Spielbeginn noch im Lockerroom virtuell dabei sein und sprechen. Zur Halbzeit und im Spiel ist er jedoch nicht zugelassen und darf weder mit Coaches noch mit Spieler kommunizieren. Ab dem Anpfiff ist damit ST-Coach Mike Priefer der Interim-HC. Die offensiven Playcalls werden von OC van Pelt vorgenommen, die defensiven Playcalls bleiben bei DC Joe Woods. Priefer wird damit das In-Game-Management (Timeouts, Clock-Management & Challenges) verantworten.
Spieler der Browns
Es fallen leider auch wieder etliche Spieler mit Corona aus.
Besonders bitter ist der Ausfall von LG Bitonio, der seit Jahren alle Tiefen mitmachte und nun sein erstes Playoff-Spiel verpasst. Sportlich ist Bitonio kaum zu ersetzen, zum Chris Hubbard und Nick Harris verletzungsbedingt fehlen. Also wird OG Chris Dunn zu seinem ersten NFL-Einsatz kommen. Ein Sprung in kaltes Wasser gegen eine starke Front.
Kurios war der „Ausfall“ von Safety Ronnie Harrison, der scheinbar einen „Falsch-Positiven“-Test hatte und nun doch spielen kann. In der Secondary haben wir dank der Rückkehr von Andrew Sendejo wieder mehr Optionen.
Nur minimale Hoffnung gibt es noch auf die mögliche Rückkehr von CB Denzel Ward, der noch nicht activated wurde. Da Ward kein „Close-Contact“ ist, sondern positiv war, bleibt aber fraglich wie fit Ward am Sonntag sein kann. Wir haben ja bereits bei Myles Garrett gesehen, wie sehr die Krankheit Einfluss auf die Performance nimmt.
Dazu spielen die Browns im Worst-Case ohne Starting-Cornerbacks, da K.Johnson sicher raus ist, und auch bei Terrance Mitchell die Zeichen auf Ausfall stehen.
Steelers
Die Steelers gehen gut erholt und sehr fit in die Partie. Viele Spieler wurden in Week 17 geschont, darunter QB Roethlisberger, TJ Watt oder Heyward.
Einzig CB Joe Haden wird wegen der positiven Diagnose immer noch ausfallen.
Remote Coaching & kein Training
Wir bleiben noch bei äußeren Faktoren. Die Browns sind seit nunmehr 2.5 Wochen ohne echtes Training unterwegs.
Kein einziger Trainings-Snap seit Sonntag, man wird maximal „kalt“ in das Spiel gehen. So spät in der Saison ist dies sicherlich verkraftbar, da viele Mechanismen und das Playbook verinnerlicht sein sollten.
Es fehlen natürliche „spezifische“ Plays, die auf den Gegner ausgerichtet sind, sowie ein gewisser Rhythmus. Das muss sich früh im Spiel einstellen.
Wird den Browns Motivation fehlen? Keineswegs! Es sind Playoffs und Stefanski kann sein Team bis Spielbeginn coachen und heiß machen. Danach kämpft das Team auch für Stefanski.
Kritischer sehe ich Fehler im Spiel beim Clock-Management und der Auswahl der Play. Was passiert, wenn Plan A nicht funktioniert? Wie gut können die Browns sich auf Adjustments der Gegner anpassen. Hier fehlt natürlich Stefanskis Input. Van Pelt ist erfahren in der Offense und wird hier sehr wichtig. Priefer sehe ich eher als Verwalter – eine Rolle, die ich ihm absolut zutraue.
#1 In-Game: Die Offensive Line
Kommen wir endlich zum Spiel und den kritischen Faktoren. Für mich steht und fällt der Erfolg mit der Performance der O-Line. In Woche 17 sah man gegen etliche Backups bereits nicht allzu gut aus.
LT Wills hatte massive Probleme gegen OLB Highsmith. Nun kommt hier TJ Watt in einem entscheidenden Duell. Watt hatte keinen Sack im ersten Spiel in Woche 6. Aber es ist sicher ein positives Matchup für die Steelers.
Ein zweites ganz kritisches Matchup liegt bei OG Dunn, der Bitonio ersetzen wird und direkt gegen DT Cameron Heyward ran müssen. Wir haben schlicht kein Tape von Dunn, welches relevant für eine Prognose ist. Laut einiger Experten ist Dunn im Run-Blocking recht okay und hatte in der AFL auch in Pass-Protection gute Werte, traf aber natürlich noch nie auch nur annähernd auf Spieler solcher Qualität. Guards sind generell etwas leichter zu „kaschieren“, ich erwarte also viel Run-Game über rechts und schnelle Pässe zu Beginn.
Dazu muss neben diesen beiden Matchups die Line insgesamt und auch die RBs und FBs bereits sein, die vielen Blitzes der LB und Secondary abzufangen. In Woche 6 waren die Steelers damit sehr erfolgreich, daher erwarte ich ein sehr aggressives Playcalling der Steelers-D, um die angeschlagene Line und auch Baker Mayfield zu testen.
#2 In-Game: Get in Big Bens Head
Wir haben es schon im Review geschrieben – die offensive Form der Steelers ist nicht berauschend. Abgesehen von der zweiten Halbzeit gegen die Colts in den letzten 5/6 Spielen weniger als 20 Punkte erzielt.
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Die Steelers arbeiten extrem viel mit Kurzpässen und kommen sehr schnell in lange 3rd Downs, auch weil zudem das Laufspiel überhaupt nicht funktioniert.
Viel liegt folglich auf den Schultern von Ben Roethlisberger, der mit seinem schnellen Release eine gute Saison spielt. Einzig seine WR lassen ihn wirklich oft im Stich. Wie man hier sieht kosten die Drops den Steelers enorm viele Punkte diese Saison:
Wie lautet also das Rezept gegen diese Offense? Die Browns-D wird sicher wieder recht souverän gegen das Laufspiel agieren, welches schlicht grausig ist bei den Steelers. Gewissermaßen eindimensional muss man diese Steelers ab und an in längere 3rd-Downs bringen. Hier kann man die Line attackieren und Big Ben sacken. Vorher sehen ich zu viel Kurzpass-Spiel mit Releases von unter 2.5 Sekunden.
#3 In-Game: Backup-Secondary
Ohne Denzel Ward, wenn überhaupt mit einem angeschlagenen Terrance Mitchell gegen die vielfältigen Waffen der Steelers.
Vor allem der Ausfall von CB1 Ward hat sich in dieser Saison immer als ganz schwierig erwiesen.
Es bleibt hier nur das Prinzip Hoffnung. Die Hoffnung auf ein unerwartet starkes Spiel der Backups um Robert Jackson, MJ Stewart und Tavierre Thomas, die vermutlich als Trio nahezu alle Snaps spielen müssen.
Wir haben in der Vorwoche gesehen, dass Jackson und Mitchell nur selten viel Platz erlaubten – gleichzeitig verlor man aber enorm viele „Contested Catches“. Hier müssen die Browns mehr gewinnen, vor allem gegen Chase Claypool.
Offensiver Gameplan
Wir haben schon auf die defensiven Ausfälle geblickt, der Druck liegt also massiv auf der Offense, die sicher mindestens 24, eher 27-30 Punkte erzielen muss, um im Spiel zu bleiben.
Der gute Jake Burn hat einen hervorragenden Artikel geschrieben, der aufzeigt, warum dies nicht so leicht wird. Denn neben der hohen individuellen Qualität der Steelers-Front kommt auch noch schematisch ein cleverer Plan, der am Sonntag vermutlich erneut viel vom Play-Action und Rollout-Game nehmen wird.
Der Gameplan wird sicher versuchen, früh das Laufspiel zu etablieren. Wir wissen, dass dies in Woche 17 recht gut funktionierte und Nick Chubb einen starken Average erreichte, dann aber nur wenige Snaps spielte.
Ich erwarte wie schon mehrfach geschrieben aggressive Steelers, die ähnlich wie die Jets die Front stärken und die Box vollstellen. So wird es am Sonntag deutlich schwerer dieses Run-Game ohne Joe Bitonio durchzuziehen. Sehen wir dann zwangsläufig viel Dropback-Passing Game?
Gut möglich, dann müssen die WR der Browns ihre Duelle schnell gewinnen, sonst droht Baker Mayfield ein Sack-Festival. Mehr Einbindung der TEs um Hooper und Njoku könnte helfen.
Die Steelers müssen unbedingt die tiefen Bälle fürchten, damit man nicht permanent die Box vollstellt, Run-Blitzes called und Baker jagt. Baker Mayfield darf zudem den Ball nicht zu lang halten, dies war in Woche 16/17 ein Problem.
Mein Tipp: Die Browns müssen schnell den Gameplan anpassen und statt dem gewohnten Run-Game + Play-Action zum klassischen Dropback-Pass-Game wechseln. Alles unter 4 Sacks und viel Druck auf Baker würde mich überraschen – und dann hängt es an den Playmaker-Qualitäten der Receiver und unseres QBs.
Defensiver Gameplan
Man kann diese Steelers-Offense stoppen. Das zeigten zuletzt nicht nur Top-Defenses, sondern auch die Bengals.
Wie schaffen die Browns Ähnliches?
Kurzum – DC Joe Woods muss endlich aggressiver in den Playcalls vorgehen. Bisher sehen wir ultra-viele softe Zone-Coverages und Pass-Rush rein über die Front-4. Nun fällt mir DE Vernon auch wichtiger Baustein für den Druck aus. Clayborn hatte ein gutes Spiel gegen Mason Rudolph und kann die Leistung hoffentlich wiederholen.
Dennoch darf man sich daraus nicht verlassen. Wenn die Browns Big Ben nicht unter Druck setzen, wird die Secondary ohne Ward/Mitchell/K.Johnson nicht halten.
Die Steelers wissen um die Stärke von Myles Garrett und werden diesen viel doppeln – zudem muss man sich wieder auf viele sehr schnelle Pässe einstellen. Die Browns werden reichlich Yards kassieren, das Ziel muss es aber sein die Steelers in 3rd Downs mit Druck zu stoppen. Packt Joe Woods dann endlich mal Blitzes aus?
Ich sehe hier durchaus Möglichkeiten für die Browns, wenn die Underneath-Coverage mit den rückkehrenden Spielern um Malcolm Smith plus J.Phillips als LB und dazu Ronnie Harrison als Safetys gut performen. Die starken Deep-Balls von Rudolph aus der Vorwoche wird man gegen die zweite Garde der CBs natürlich erneut versuchen – hier hilft schlicht beten, denn ich fürchte hier klare Vorteile und Big Plays der Steelers. Dennoch hielt man auch die Steelers in der Vorwoche bei 22 Punkten (wovon viele unnötig am Ende abgegeben wurden). .
Alles unter 27 Punkten wäre ein kleiner Erfolg für die zerrupfte Browns-Defense. Viel der Hoffnung liegt auf Myles Garrett und der D-Line, die schlicht in den richtigen Plays dominieren muss, um die Secondary zu entlasten. Wenn man Big Ben aber früh im Spiel sacked und so in seinen Kopf kommt – und dann die WR vieler nervöse Fanghände bekommen…dann kann auch die Browns-D halten.
Blick in die Glaskugel – wer gewinnt das Wildcard-Rennen?
Es ist unter den gegebenen Umständen kein Duell mehr auf Augenhöhe. Die #1-Defense trifft bestens ausgeruht auf eine stark angeschlagene O-Line, während die Browns-Defense ohne Cornerbacks und neu formiert ein kleines Wunder braucht.
Einfach brutal schade, dass hier auch das Coaching-Battle wegfällt und die Browns hier enorm handicapped in die Partie gehen. Doch hören wir auf mit dem Geheule – das Leben ist kein Konjunktiv und die Browns haben durchaus ein paar Ansatzpunkte um das Spiel zumindest eng zu gestalten.
Es ist so eine Partie, in der die Browns sehen werden, was ihre „Säulen“ der Franchise leisten können. Nie lag mehr auf den Schultern von Baker Mayfield, Nick Chubb und defensiv auf Myles Garrett, um die Partie an sich zu reißen.
Betrachten wir rein objektiv die Matchups, dann fällt es schwer einen Sieg unserer geliebten Browns zu prognostizieren. Um die Stammtisch-Sprüche zu bemühen: Es muss viel zusammenkommen und alles passen. Allen voran eine Partie ohne offensive Turnover, eine starke Partie der Offensive-Line (auch ohne Bitonio), eine „heiße“ Defense und einen Pass-Rush, der die Steelers konstant ärgert.
Ich glaube die Browns können das Spiel länger offen halten, aber am Ende sprechen zu viele Faktoren für die Steelers. Genießen wir diesen Playoff-Auftritt einfach, die Browns sind unabhängig vom Ergebniss auf dem richtigen Weg!
Browns 17 Steelers 27
Go Browns!