Scheming the Browns – Teil 1: Passing Game
Während der Sommerpause wollen wir unserer Browns-Gemeinde einen etwas genaueren taktischen Einblick in das Scheme der Browns geben. Dafür beleuchten wir nicht nur die Grundformationen, sondern blicken tiefer in typische Play-Designs. Die Idee ist es dabei den Rückblick auf 2018 zu nutzen, um anschließend einen Ausblick zu geben, was die Neuzugänge im Roster und im Coaching-Staff verändern könnten.
In der Mini-Reihe starten wir heute mit der Passing-Offense und analysieren, warum Kitchens deutlich erfolgreicher die Offense führte. Danach blicken wir auf den Impact der neuen Coaches und Spieler und schauen auf die Rushing-Offense. Im gleichen Stil folgt dann der Blick auf die Defense.
Starten wir also mit der Passing Defense.
Um auch die etwas weniger Taktik-affinen Leser abzuholen, hier eine kurze Übersicht über die Schemes in der NFL.
Scheme |
Beschreibung |
Team als Beispiel |
West-Coast |
Kurze, horizontale Routen in Kombination mit Run-Plays mit dem Ziel die Defense in die Breite zu ziehen, um anschließend Big-Plays zu generieren. |
49ers |
Air-Coryell (Vertical Offense) |
Passspiel basiert auf Timing und Rhytmus. Fokus auf tiefe und mittlere Pässe, sowie einem Power-Running-Game. Dies führt meist zu einer geringeren Completion-%, dfür aber höheren Yards-per-Catch. |
San Diego Chargers |
Spread-Offense |
QB meist auf der Shotgun heraus mit oftmals 4-oder 5 Receivern, die breit aufgestellt sind. No-Huddle und hohes Tempo wird häufig eingesetzt. O-Line breit aufgestellt mit breiteren Lücken. Einsatz häufig im College mit hoher Pass-Quote und dem Ziel die Breite des Feldes zu nutzen. |
Colleges (Oklahoma,..) Arizona Cardinals ab 2019 |
Option-Offense |
Basiert auf dem Laufspiel und einem QB, der in sehr kurzer Zeit die richtige Entscheidung trifft ob der RB den Ball bekommt oder ein Pass ausgeführt wird. |
Baltimore Ravens with Lamar Jackson |
Smashmouth Offense |
Fokus auf dem Laufspiel mit überdurchschnittlich vielen Run-Plays sowie dem Einsatz von Play-Action im Pass-Spiel. |
Tennessee Titans |
Dabei sei natürlich gesagt, das nahezu keine NFL-Offense auf einem System basiert. Alle sind in der Umsetzung hybride Systeme, bei denen jedoch oft eine Grundstruktur zu sehen ist.
Die Browns haben offensiv in den letzten drei Jahren unter Hue Jackson eine vertikal geprägte Offense im Stile Air Coryell gespielt. Hue wollte ganz explizit das Feld in der Tiefe attackieren, auch wenn ihm dafür die QB´s fehlten. Das resultierte nicht zuletzt in den über 20 INT´s von Rookie Deshone Kizer.
In der Saison 2018 gab es, unter Todd Haley als OC, einige kleinerer Anpassungen, jedoch keine gravierenden Umbrüche.
Status Quo aus 2018
Bevor wir die Stats genauer betrachten, eine kurze Erklärung zu den Formationen. Am besten erklärt man dies an folgendem Beispiel: 12 Personell bedeutet, dass 1 RB und 2 TE in der Formation stehen. Der RB ist stets die erste Ziffer, die Anzahl der TE´s die zweite. Die Differenz aus den 5 offensiven Spielern sind dann die WR. Im 12 Personel stehen daher 1 RB, 2 TE und 2 WR.
1-1 (3WR) |
1-2 (2WR) |
2-1 (2WR) |
1-0 (4WR) |
1-3 (1WR) |
3-1 (1WR) |
|
% Hue |
80 % |
13 % |
2 % |
0,5 % |
5 % |
0 % |
% Kitchens |
65% |
15% |
2% |
8% |
7% |
3 % |
Erfolgsquote Hue |
39% |
35% |
25% |
0% |
31% |
– |
Erfolgsquote Kitchens |
47% |
67% |
75% |
47% |
75% |
71% |
(Quelle: Sharpfootballstats.com)
Kleine Unterschiede in der Nutzung von Formations fallen auf – umso größere bei der Erfolgsquote. So nutzt zwar auch Kitchens primär 3-WR-Sets, jedoch deutlich weniger als Hue/Haley.
Ligaweit sind die 80% Passing aus dem 11-Personnel nah an der Spitze (4th). Bedenken wir das die Browns aus dieser Formation „nur“ 45% liefen (Bottom 10) wird eines der Probleme schnell klar. Die Browns waren unter Hue viel ausrechenbarer als später unter Kitchens. Viel Rushing aus 12 und 13-Personell, Passing fast ausschließlich aus 11 Personell.
Die Frage warum die Diskrepanz in den Erfolgsquoten so gravierend ist, finden wir aber nicht rein in diesen Stats. Dafür müssen wir uns anschauen welche Play-Design Hue/Haley verwendeten und was Kitchens besser machte.
Film Room Hue/Haley:
Hue Jackson galt sehr lange als brillanter Offensiv-Guru, der gerade in den Play-Designs kreativ denkt. Kreativität kann man Hue auch kaum ankreiden, die Execution war jedoch meist in diesen kreativen Elementen katastrophal. Folglich musste Hue sich auf einfachere Konzepte beschränken, wollte aber seinen vertikalen Stil beibehalten.
Mit Todd Haley kam dann ein Einfluss aus Pittsburgh dazu, der kaum gut gehen konnte. Haley war bei den Steelers sehr erfolgreich mit einem ebenfalls vertikalen Konzept, jedoch hatte er komplett andere Voraussetzungen. Die Steelers verfügen seit Jahren über eine Top-5 Offensive-Line, die QB Ben Roethlisberger viel Zeit verschafften, damit sich ein Big Play in der Tiefe des Feldes entwickeln kann. Schauen wir nun auf beispielhafte Plays, welche typische Probleme der Browns-Offense aufzeigen.
- Kaum Route-Combinations – kurze Routes auch bei 3rd & long
Ein Grundproblem der Offense in den ersten Wochen, ist die sehr isolierte Ansammlungen von Routes. Hier sehen wir ein 3rd Down bei dem man 12 Yards erreichen muss. Natürlich schwierig, doch Haleys Playcall macht es nahezu unmöglich. Die Steelers spielen Man-Coverage. Haley schickt 5 Receiver im 11 Personell. Leider haben die meisten der Receiver nur eine kurze Stick-Route. Haley verlässt sich also darauf das entweder ein Verteidiger gravierend schläft,oder ein Receiver aus eigener Klasse in der kurzen Route seinen Verteidiger täuscht und Separation kreiert. Mit Antonio Brown und Juju kann das auch mal funktionieren – bei den Browns jedoch nicht. Keiner erlangt tief Separation, so muss Baker wegen des Drucks den Pass kurz in die Mitte bringen und verpasst das 1st-Down klar.
2. Hue Problem aus 11-Personell: Overload Pressure
Ein weiteres Beispiel für grundsätzliche Probleme im Playcalling. Die Steelers sehen 11 Personell und callen einen Overload-Blitz. Dabei „überfallen“ sie gezielt eine Seite der Browns-Line und schaffen dort Überzahl und schnellen Druck. Haley called aber wie so oft ein Play bei dem er vertikal attackiert. Da auch der RB eine Route laufen soll, ist niemand da, der den freien Blitzer abfangen kann. Bevor sich die tiefen Routes also entwickeln können, ist TJ Watt bei Baker. Die Folge ist ein harter Hit und Sack. Keine Chance für Baker, da er nicht einmal einen Dump-Off hat.
3. Probleme gegen Man-Coverage, speziell im 3rd Down
Eines der Kern-Probleme der Browns in der ersten Saisonhälfte war die 3rd-Down-Conversion. Unter Hue/Haley lag die Conversion bei grauenhaften 32,1 % – einer der schlechtesten Werte der Liga. Kitchens konnte diesen Wert auf knapp 38% bringen – ein guter Mittelwert. Was hat Kitchens mit gleichem Personal also besser gemacht? Das obere Play verdeutlicht nochmal warum die Browns gegen gute Defenses sehr schwach im 3rd Down waren. Haley muss in diesem Play bis zur 37-Yard-Linie und schickt fünf potentielle Receiver. Leider sind die Routes wieder völlig isoliert und jeder Receiver muss selbst um Separation kämpfen. Gegen gute CB´s und einen passablen Pass-Rush kann das kaum funktionieren. Niemand ist offen und Baker wirft unter Druck in ein enges Fenster, der CB kann die Completion verhindern.
Kitchens-Verbesserungen
Nun schauen wir etwas genauer darauf was Freddie Kitchens in der zweiten Saisonhälfte besser machte und damit nicht nur Baker Mayfield enorm half, sondern auch der Offensive Line.
- RPO´s
Eine zentrale Veränderung war, dass Freddie seinem Rookie-QB mehr „Mitsprache“ gab. RPO´s sind Run-Pass-Options, bei denen die Offensive-Line auf der einen Seite für den Runner blockt (rechts) und auf der anderen Seite für Pass-Protection sorgt. Der QB liest die Defense und entscheidet, ob er den Ball dem RB übergibt oder selbst den Pass wirft. Für Baker nichts Neues – er kennt dieses System aus Oklahoma bestens und brillierte darin. In diesem Play sieht Baker den LB in der Mitte, der zum Laufspiel tendiert und daher Njoku in der Mitte offen lässt. Baker braucht kaum eine Sekunde um den Ball loszuwerden. Das sind 9 leichte Yards im First Down. Freddie nutzt den Respekt des Gegners vor dem Laufspiel um Chubb und Bakers Spielintelligenz.
2. Variablere Formations (z.B. Bunch Formations)
Kitchen ließ seine Offense in wesentlich vielfältigeren Offenses auflaufen. Es ist per se nichts einzuwenden gegen klassisches 11-Personell bei dem man das Feld breit macht – die Rams unter McVay perfektionierten diesen Ansatz, doch das muss dann im Play Design kreativ und aufeinander aufbauend passieren. Kitchens nutzt hier eine Bunch-Formation, lässt also auf beiden Seiten mehrere Receiver eng beieinander, was natürlich auch dazu führt das die Defense eng gestaffelt steht.
Im Gegensatz zu vielen Haley-Plays bauen nun aber die Routes aufeinander auf und lassen die Defense schwierige Entscheidungen treffen. Hier läuft auf der rechten Seite ein WR nach Außen, während der innere WR leicht verzögert. Der Safety lässt sich locken, wodurch ein WR völlig offen ist. Nah der eigene Endzone ein leichtes Play für Baker. Dabei nutzt Kitchens Bakers starke Accuracy und gibt der gegnerischen D schlichtweg schwere Entscheidungen mit und nutzt Fehler schnell aus.
3. Wishbone & weitere kreative Formations
Die Wishbone-Formation ist nicht alltäglich in der NFL – aber Freddie Kitchens packte sie aus und hatte Erfolg damit. In dieser Formation stehen gleich 3 RB´s um Baker Mayfield herum. Folglich muss der Gegner eigentlich mit einem Laufspiel rechnen (wenn auch ungewiss von wem). Das nutzt Freddie und gibt zur Überraschung im Play-Action den RB´s nicht den Ball, sondern schickt zwei RB auf Routes. Duke ist tief völlig frei und die Browns machen ein Big-Play für über 20 Yards. Freddie lässt erneut den Gegner ins Leere laufen, indem er ihnen neue Looks gibt. Die Defense ist auf Run eingestellt und Baker nutzt das super aus.
4. Screens can work
Gab es einen erfolgreichen Screen unter Hue und Haley? Ich erinnere mich zumindest nicht daran. Das lag häufig auch an ganz schlechter Ausführung. Dennoch ist es auffällig das mit dem Coaching-Wechsel schnell das Screen-Game eine Renaissance erlebte. Kitchens designed hier einen Parade-Screen, bei dem er einen Guard auf die linke Seite zieht. Vor dem Play wird zudem der Gegner mit Motion verwirrt. Ein Element, dass es zuvor viel zu selten gab. Danach scheint es so einfach – die wichtigen Blocks sitzen, Chubb bekommt den Ball und erläuft über 25 Yards. Screens sind ein tolles Element gegen Blitzes und starkes D-Lines, dass Freddie viel erfolgreicher einsetzte als zuvor Todd Haley.
Fazit:
Der Coaching-Wechsel brachte eine klare Wende im Passing-Game mit sich. Während man in den ersten Wochen die meisten Sacks und Pressures zuließ, war man mit dem gleichen Personal in diesen Werten Top-5. Wie konnte das passieren?
Kitchen justierte die Offense und das Play-Calling, wobei die Grund-Philosophie blieb. Jedoch nutzte Kitchens deutlich kreativere Formations und stoppte das System mit Isolation-Routes aus 11-Personell, welches hochgradig unerfolgreich war. Vielmehr ließ er Bakers Stärken im Decision Making und der Accuracy einfließen und nutzte RPO´s, Screens, Motions und viele kleine Elemente, welche es gegnerischen Defenses deutlich schwerer machte. Fortan gab es deutlich mehr Route-Combinations, die den Qualitäten des jungen Receiving-Corps halfen. Kitchens führte keine komplette Revolution des Systems durch, nahm aber das existierende Playbook und verfeinerte die Elemente entsprechend der Stärken seiner Spieler. Genau diese Orientierung an den eigenen Stärken ließ das alte Regime vermissen. Thank you, Freddie!
[…] In den jetzt folgenden Wochen des Sommerlochs wird nicht nur Mike die Zeit sinnvoll nutzen, seine Reihe zur Taktik der Browns weiter auszubauen, auch diesem Thema wird Raum gegeben. Zunächst kurz der „Ist-Stand“ […]