Das Ende der sympathischen Underdawgs? Die Browns nach dem Trade für Watson.

20. März 2022 0 Von Mike

Es ist passiert. Die Browns gehen All-In für einen Quarterback, der in einem laufenden Verfahren von 22 Frauen der sexuellen Belästigung/Nötigung beschuldigt wird. Wir von Brownsfans.de wollten euch unsere Gedanken bereits im Podcast mitteilen, welcher aufgrund technischer Probleme leider nicht korrekt aufgenommen wurde. Daher gibt es hier den Auszug aus unseren Gedanken.

Über Moral & Verbrechen in der NFL

Wie sollte man als Fan mit solch einer Situation umgehen? Diese Frage beschäftigt fast jeden Brownsfan seit dem Freitagabend, als der Blockbuster-Trade angekündigt wurde.

Zunächst für alle, die nicht so tief in der Situation sind: Lest bitte einen oder mehrere dieser Artikel, welche Deshaun Watsons Verbrechen (bzw. die Anschuldigungen dazu) gut darstellen:

Vorweg daher ein ganz klares Statement. Wir von Brownsfans.de verurteilen aufs Schärfste solch ein Fehlverhalten und Verbrechen gegenüber Frauen. Es darf keinen Zweifel daran geben, dass Sportler immer auch Vorbilder sind und sich so nicht verhalten dürfen.

22 Frauen haben dies zu Anzeige gebracht – und auch wenn die strafrechtlichen Folgen zunächst abgelehnt wurden, stehen die Zivilklagen weiter aus. Wir reden hier also von laufenden Ermittlungen und es gehört zum Prinzip einer Demokratie diese laufenden Verfahren zu beobachten. Uns aus der Ferne scheint es sehr unwahrscheinlich, dass alle 22 Frauen lügen, dennoch sollen und müssen die Justiz und nicht wir Fans darüber urteilen.

Jener Deshaun Watson wird also der nächste Quarterback der Cleveland Browns und kommt mit einer tiefschwarzen Vergangenheit und einem gewaltigen Rucksack. Wendet man sich als Fan daher ab von den Browns? Wir haben unsere Community bereits eine Woche vorher befragt:

Natürlich ist die Menge nicht repräsentativ, doch man sieht ein breit geteiltes Bild in der Fanszene, bei der eine komplette Abkehr allerdings den geringsten Anteil darstellt. Viele Fans kämpfen noch mit sich und werden bis zum Saisonstart im September sicher noch entscheiden, wie sie damit umgehen.

Zweifellos bedeutet dieser Trade jedoch eine Zäsur, auch in der Fanszene und Community. Daher ist uns wichtig eines zu sagen:

„Wir können jeden verstehen, der wegen Deshaun Watson kein Fan der Browns mehr sein will und kann. Gleichzeitig plädieren wir für einen offenen Umgang mit jenen Fans, die nach kritischer Reflexion weiter Brownsfan bleiben.“

Unser Umgang mit der Situation..

In der Welt des American Football ist der Anspruch an Moral und Ethik schon immer eine Gratwanderung. Wir bejubeln Athleten und Menschen, die mit diesem Sport zu Stars werden, dafür aber überdurchschnittlich oft schwer erkranken oder sterben (CTE,..).

Der Umgang mit Straftaten ist ebenso seit Jahrzehnten ein schwieriges Thema in der NFL. Spieler wie Tyreek Hill, Ben Roethlisberger oder auch Kareem Hunt sind trotz ihrer ebenso widerwärtigen Taten gefeierte Stars in ihren Franchises. Ray Lewis hat von der NFL trotz Mordanklage/vertuschung sogar die Gold-Jacket für die Hall-of-Fame bekommen.

Es gibt seit Jahren ein Ungleichgewicht in der Bestrafung seitens der NFL. WR Calvin Ridley wurde für illegale Wetten auf sein Team härter bestraft als alle benannten Spieler, die sich an Frauen vergangen haben. Auch Josh Gordon wurde wegen seiner Drogenprobleme härter angegangen. Wir als Fans sollen und dürfen dies nicht unter den Teppich kehren, gleichzeitig müsste doch die einzig logisch Folge sein: Ich schaue generell keinen NFL-Football mehr…

Die Browns als Franchise sind ebenso bereits seit langer Zeit kein Musterknabe, nur ist dies wenigen Fans wirklich bewusst. Vor dem Stadion der Browns steht eine Statue der „Legende“ Jim Brown, der mehrfach Vergehen gegen Frauen beschuldigt wurde und im eigenen Buch häusliche Gewalt gegenüber Frauen zugab.

Und in jüngster Zeit ist es eben auch jener RB Kareem Hunt, über dessen Touchdowns die große Mehrzahl der Fans jubelte. Bereits bei seiner Verpflichtung hatten wir bei Brownsfans.de intensive Diskussionen über den Umgang. Die Browns haben Hunt eine Therapie zur Aggressions-Bewältigung durchführen lassen, so dass er mittlerweile als akzeptiertes Mitglied im Lockerroom gilt. Das macht sein Vergehen nicht besser, ist aber vermutlich der beste Weg einen jungen Mann mit Problemen zurück auf einen rechtschaffenen Weg zu bringen.

Rehabilitation sollte nicht nur ein Begriff bezüglich des Images sein, sondern sich auch an der Persönlichkeit der Spieler orientieren. Wir reden hier letztlich auch von Menschen, die oftmals Anfang 20 (oder wie Deshaun Watson 26) – und damit noch längst nicht am Ende ihrer Persönlichkeitsausbildung angelangt sind.

Wenn sich die Anschuldigungen an Deshaun Watson bewahrheiten (wovon wir aktuell ausgehen), dann muss er bestraft werden – von der Justiz und der NFL. Nach (oder auch während) dieser Strafe muss ein Prozess beginnen, der dem Menschen Deshaun Watson dabei hilft, seine Probleme in den Griff zu bekommen – und dazu kann es neben einer Therapie gehören, dass er als Footballspieler der Cleveland Browns auch sportlich rehabilitiert wird.

Eine wichtige Komponente dabei wird ein Schuldeingeständnis sein, welches zum jetzigen Zeitpunkt und im laufenden Verfahren noch nicht geschehen ist. Hier wird man abwarten und kritisch beobachten müssen, wie Watson damit umgeht.

Wie geht es weiter?

Die Browns haben einen neuen Quarterback – und das zu einem sehr teuren Preis. Damit sind jedoch nicht die Picks und die 230 Mio garantiertes Gehalt gemeint, sondern der Bruch durch die Franchise und die Fangemeinschaft.

Wir werden gute und loyale Fans verlieren, mit denen der Austausch und das gemeinsame Jubeln immer viel Spaß gemacht hat. Auch bei Brownsfans.de wird es Veränderungen geben. Jeder geht mit dieser Verpflichtung und den Folgen anders um – und es ist wichtig zu sagen: Es gibt kein richtig und kein falsch.

Es ist legitim die NFL und die Browns als „Sports-Entertainment“ zu betrachten. Als Hobby, bei dem die moralischen Ansprüche nicht überwiegen. Bei dem man an den Sonntag-Abenden weiter über die Touchdowns der Browns jubeln will, weil man einfach seit langer Zeit viel mit der Franchise verbindet.

Genauso legitim ist es, wenn man dieser Franchise nicht mehr zujubeln kann und will.

Wir werden unseren Umgang damit in den nächsten Wochen und Monaten auch noch finden müssen. Fest steht nur, dass wir von Brownsfans.de zu keinem Zeitpunkt die Anschuldigungen bagatellisieren oder verschweigen werden, auch wenn wir natürlich weiter die sportliche Seite betrachten.

In diesem Sinne, auch wenn dies aktuell so schwer fällt, wie noch nie: Go Browns!